Von Torsten Geiling
Das sind die Fragen, die in meinen Coachings Väter und Mütter am häufigsten vor einer Trennung beschäftigen:
Macht es Sinn, wegen der Kinder noch eine gewisse Zeit zusammenzubleiben, etwa bis sie aus dem Haus sind?
Kinder sind sensibel und wissen mehr als wir uns als Eltern oft vorstellen. Es ist also zwecklos, schwierige Situationen vor ihnen geheim halten zu wollen. Damit ist die Frage eigentlich schon beantwortet. Trotzdem zögern viele Eltern sich zu trennen.
Da sind die (unausgesprochenen) Vorwürfe aus dem Umfeld: Das kannst du euren Kindern nicht antun. Scheidungskinder leiden ein Leben lang. Hast du das nicht gemerkt, als noch keine Kinder da waren?! Die paar Jahre bis zum Auszug wirst du schon noch durchhalten. Kinder brauchen eine Familie mit Vater und Mutter.
Ja, genau. Kinder brauchen Bezugspersonen, um sich gesund zu entwickeln. Sie müssen dafür aber nicht in einer traditionellen Kleinfamilie aufwachsen. Das hat die Wissenschaft längst belegt. Kinder können aus einer Krise wie der Scheidung ihrer Eltern sogar gestärkt hervorgehen, WENN die Kinder zu beiden Elternteilen einen liebevollen und zugewandten Kontakt behalten. ODER wenn zumindest ein Elternteil besonders liebevoll und sensibel mit ihnen umgeht. Dann können Scheidungskinder sich sogar resilienter und sozial kompetenter als ihre Altersgenossen entwickeln.
Wie schlimm ist eine Trennung für Kinder?
Das darf man nicht kleinreden. Kinder, deren Eltern sich scheiden lassen, haben damit zu kämpfen. Das machen verschiedene Studien deutlich. Allerdings zeigen diese Studien auch, dass Kinder, die in einer Familie aufwachsen, in der die Eltern unglücklich sind und sich oft streiten, mindestens ähnliche Probleme haben wie Kinder von geschiedenen Eltern.
Kinder spüren intensiv die Gefühle ihrer Eltern. Wenn Papa und/oder Mama unglücklich sind, wirkt sich das auch auf ihre Welt aus – das geht soweit, dass sie Verantwortung für Dinge übernehmen, die ihrem Alter nicht gemäß sind und sie emotional deshalb nicht tragen können.
Kinder lernen zudem ihr Verhalten durch Nachahmung und orientieren sich (zumindest in den ersten Jahren) stark an ihren Eltern. Erleben sie tagtäglich Streit, vielleicht sogar Gewalt, oder auch „nur“ ein gleichgültiges Nebeneinander von Papa und Mama, dann kann sich das auf ihr späteres Sozial- und Beziehungsverhalten viel eher negativ auswirken als eine Trennung.
Eine Trennung bedeutet nicht, dass man beziehungsunfähig ist oder einen unsicheren Bindungsstil hat. Im Gegenteil: Wenn ich erkenne, dass mir die Beziehung nicht guttut und ich mich daraus lösen kann, spricht das viel eher für einen stabilen Bindungstyp und einem gesunden Beziehungsverhalten. Und ist es nicht das, was ich meinen Kindern beibringen möchte? Vielmehr, als auf Gedeih und Verderb in einer Beziehung zu verharren, die meinen Interessen und Bedürfnissen entgegensteht?
Viele Eltern, die vor einer Trennung stehen, haben vor allem Schuldgefühle und Ängste. Wie wäre es, wenn sie auch stolz auf sich sind, weil sie ihren Kindern eine wichtige Botschaft für ihr Leben mitgeben: „Wenn du unglücklich bist und dich deine Beziehung belastet, dann solltest du auf dich hören und diese Beziehung beenden. Das ist in Ordnung.“
Gibt es ein richtiges Alter für eine Trennung?
Nein, das gibt es nicht. Eine Trennung ist für Kinder jedes Alters erst einmal ein GAU.
Kinder wünschen sich fast immer, dass die Eltern zusammenbleiben. Sie kennen ja keine andere Familienkonstellation. Und alles, was man nicht kennt, macht erst einmal Angst.
Kinder im Säuglingsalter bekommen die Trennung noch nicht bewusst mit. Sollen sie aber zu beiden Elternteilen eine enge Beziehung aufbauen, dann muss das bei der Umgangsregelung bedacht werden. Denn das kann nur durch regelmäßigen, intensiven Kontakt stattfinden.
Kinder im Kindergarten- und Schulalter bekommen die Trennung bereits bewusst mit. Die Eltern sollten sich Zeit nehmen, den Kindern die Situation zu erklären und sie in ihrer Unsicherheit und mit ihren Ängsten aufzufangen. Je älter sie sind, desto besser kann man ihnen die Trennung erklären – was es aber nicht zwangsläufig einfacher oder leichter macht.
Das gleiche gilt für Jugendliche und junge Erwachsene. Mit ihnen kann man die Situation relativ offen besprechen. Im Normalfall. Vielleicht passiert aber auch das Gegenteil und die Kinder verweigern sich jedem Gespräch oder sind dann durch die Trennung mit ihren eigenen Abgrenzungs- und Abnabelungsprozessen überfordert.
Selbst erwachsene Kinder mit eigener Wohnung oder Familie können mit Unverständnis und Vorwürfen reagieren.
Was kann ich tun, damit die Trennung die Kinder möglichst wenig schmerzt?
Ich sage meinen Klientinnen und Klienten immer: Zum Streiten braucht es nur einen Partner. Für eine Abmachung aber zwei. Das gilt auch für diesen Punkt. Sie können als Einzelperson alles versuchen, die Krise bei den Kindern möglichst klein zu halten. Wenn ihr Partner querschießt, haben sie keine Chance. Zumal, wenn Sie der Aufbrechende sind (siehe oben).
Trotz der Trennung wäre eine Miteinander mit Blick auf die Kinder wichtig. Sie sollten sich gemeinsam darum bemühen, für ihre Kinder weiterhin als Eltern zu fungieren und eine elterliche Verantwortung übernehmen. Damit lassen sich die Auswirkungen einer Scheidung nicht verhindern, sie lassen sich aber minimieren.
Dazu gehört auch, über den anderen Elternteil wohlwollend im Beisein der Kinder zu sprechen. Das funktioniert am besten, wenn es ihnen gelingt, die Eltern- und Paarebene nicht zu vermischen. Sie sind enttäuscht, verletzt, wütend. Das dürfen sie sein. Aber bitte lassen Sie ihre Gefühle (gerade in Bezug auf den Partner) nicht vor den Kindern raus. Das gilt auch für Streitereien um das Sorgerecht und den Unterhalt, Schuldzuweisungen oder Befindlichkeiten wegen eines neuen Partners. Das alles sollte auf der Paarebene unter Ausschluss der Kinder diskutiert werden, so sehr es sie auch befriedigen mag, den Kindern einmal zu zeigen, was für ein Idiot der andere ist.
Kinder lieben beide Elternteile. Sie sollten sich nicht entscheiden müssen. Aussagen wie „Papa/Mama ist schuld, dass wir uns trennen“ stürzen Kinder in einen Loyalitätskonflikt, den sie nur schwer aushalten können.
Und selbst wenn sich ihr (Ex-)Partner daneben benimmt und sich nicht an Absprachen hält, tun sie es ihm nicht gleich. Es reicht, wenn ein Elternteil an den Kindern zieht. Dazu zählt auch, dass Sie sich nicht bei den Kindern ausheulen oder Trost suchen sollten. Kinder sind kein Partnerersatz und mit dieser Situation ganz schnell überfordert. Das heißt nicht, dass sie ihnen etwas vorspielen müssen, natürlich können Sie ihnen sagen, dass es ihnen nicht gut geht.
Meist ist es so, dass Kinder sich in einem Trennungsprozess auf eine Seite schlagen, häufig auf die des verlassenen und damit vermeintlich schwächeren Elternteils. So schwer das auch fällt, das sollte man akzeptieren. Vorerst zumindest. Gerade bei älteren Kindern ist es wichtig, die Kontaktangebote trotz der Zurückweisung nicht einzustellen. Bleiben Sie offen, melden Sie sich regelmäßig, suchen Sie das Gespräch und bieten Sie Treffen an.
Wie erklären wir den Kindern die Trennung?
Am besten gemeinsam. Und zwar erst dann, wenn die Trennung tatsächlich feststeht. Man muss nicht zusätzlich Unsicherheiten schüren.
Setzen Sie sich an einen Tisch und sagen sie ihnen möglichst ruhig und knapp, was Sache ist: „Papa und Mama trennen sich. Wir sind aber als Eltern weiterhin gemeinsam für euch da. Und daran wird sich auch nichts ändern.“
Viel wichtiger als der genaue Wortlaut ist das Gefühl, das Sie ihnen mit diesem Gespräch vermitteln sollten: Sicherheit. Denn die Trennung ist für Kinder meistens ein Schock, auch wenn es vielleicht viel Streit im Vorfeld gab und sie es schon geahnt haben.
Sagen Sie den Kindern so klar wie möglich, wie es nun weitergeht: Wer wird wo wohnen? Wie und wo treffe ich den anderen Elternteil? Usw. Machen Sie aber keine Versprechungen, die Sie nicht halten können. Je nach Alter sollten Sie die Kinder an der Zukunftsplanung beteiligen. Nehmen Sie ihre Sorgen ernst. Bieten Sie ihnen immer wieder Gesprächsmöglichkeiten an, bedrängen Sie sie aber nicht. Auch die Kinder brauchen Zeit, zum Verarbeiten.
Wenn sich Ihr Partner einem solchen Gespräch verweigert, sprechen Sie allein mit den Kindern. Die Kinder haben ein Recht zu erfahren, was los ist und was mit ihnen passiert.
Kinder machen sich bei einer Trennung viele Sorgen, an die Eltern nicht gleich denken. In einem zweiten Teil zu „Trennung mit Kind“ gebe ich demnächst Antworten darauf, welche Fragen sich Kinder bei einer Trennung sonst noch stellen.
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