Fast jeder Mensch gerät im Laufe seines Lebens in Situationen, in denen es ihm schwerfällt, sich zu entscheiden. Es gibt so viele Möglichkeiten. Welche ist die richtige?
Wir können heute so viel bestimmen, wie nie zuvor. Es wirkt wie die große Freiheit. Für viele von uns ist es das aber nicht. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt. Das Herz klopft, die Gedanken fahren Karussell, manchmal steigt die Angst hoch. Und dann kommt der Satz: „Argh! Was soll ich tun?! Ich kann mich nicht entscheiden!“
Und ja, ich kann versuchen, die Situation auszusitzen oder abwarten, bis jemand anderes für mich die Entscheidung trifft. Aber auch keine Entscheidung ist eine Entscheidung. Denn ganz egal, was ich tue, wir zahlen immer einen Preis dafür. Egal ob ich Variante A oder B wähle. Etwa bei einer Trennung: Gehen oder bleiben. Egal für was ich mich entscheide, es schmerzt immer. Deshalb ist es wichtig, uns das bewusst zu machen.
Wir zahlen immer einen Preis
Wenn wir nun keine Entscheidung treffen können oder wollen, liegt es oft daran, dass wir entweder nicht bereit sind, den Preis zu zahlen. Oder uns fehlt ein entscheidendes Puzzlestück.
Kommen Menschen in solchen Momenten zu mir ins Coaching, erzähle ich ihnen gerne die Geschichte von den zwei Bettlern: Der eine ist blind, der andere ist querschnittsgelähmt. In der Unterführung, wo beide betteln, bricht Feuer aus. Um sich zu retten, brauchen sie einander. Der Blinde nimmt den Gelähmten auf die Schultern, und dieser sagt ihm, wo es langgeht.
So ähnlich verhält es sich mit unserem Verstand und unseren Gefühlen…wir brauchen beide, um uns aus schwierigen Situationen zu retten, um eine Entscheidung treffen zu können. Der eine ist nichts ohne den anderen.
In Krisen übernimmt oft der Verstand das Kommando. Wir denken und grübeln und kommen nicht vorwärts. Unsere Gefühle ignorieren wir oder drücken sie weg. Weil sie uns oftmals unangenehm sind, sie uns schwach erscheinen lassen. Das funktioniert aber nur bedingt und eine gewisse Zeit. Wie bei Wasserbällen, die wir versuchen, unter Wasser zu drücken. Sie kommen immer wieder nach oben.
Gefühle zu ignorieren, bringt nichts
Wir müssen also lernen, uns und unsere Gefühle, vor allem auch die negativen, wahrzunehmen, sie zu benennen und zu akzeptieren. Denn es ist ja nicht so, dass die Gefühle nicht da sind, wenn wir sie ignorieren.
Wenn es Dir also mal wieder nicht gelingt, eine Entscheidung zu treffen, mach eine Pause, suche bewusst nach dem zweiten Bettler in dir und höre ihm zu. Wahrscheinlich ist seine Antwort das Puzzlestück, das bisher gefehlt hat.
Vielen meiner Klienten geht es so, dass sie zwar die Stimme des zweiten Bettlers hören, ihn aber nicht verstehen – so als würde er in einer fremden Stimme zu ihnen sprechen. Das kommt daher, weil wir sind, wie wir sind bzw. wie wir durch die Erziehung unserer Eltern und die Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben, geworden sind.
Auf den Wellen reiten
Wir müssen erst wieder lernen, eine Verbindung mit unserer Gefühlswelt einzugehen und sie wahrzunehmen: Welche Gefühle habe ich gerade? Warum habe ich sie? Was steckt sonst noch dahinter? Wir müssen also erst näher an sie heranrücken, um in einem zweiten Schritt dann wieder auf Abstand zu gehen, sie zu identifizieren und sie zu verstehen.
Denn unsere Gefühle sind ein Teil von uns, wir sind aber nicht die Gefühle. Sie sind wie die Wellen des Ozeans, die kommen und gehen. Sie haben die Kraft, über uns zusammenzuschlagen und uns nach unten zu ziehen. Wenn wir es aber richtig anstellen, können wir auch auf den Wellen reiten und den Moment genießen.