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Kennst du die Geschichte der zwei Bettler?

Torsten Geiling • 3. April 2022

Wenn das entscheidende Puzzlestück fehlt...

Von Torsten Geiling 

Fast jeder Mensch gerät im Laufe seines Lebens in Situationen, in denen es ihm schwerfällt, sich zu entscheiden. Es gibt so viele Möglichkeiten. Welche ist die richtige? 

Wir können heute so viel bestimmen, wie nie zuvor. Es wirkt wie die große Freiheit. Für viele von uns ist es das aber nicht. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt. Das Herz klopft, die Gedanken fahren Karussell, manchmal steigt die Angst hoch. Und dann kommt der Satz: „Argh! Was soll ich tun?! Ich kann mich nicht entscheiden!“

Und ja, ich kann versuchen, die Situation auszusitzen oder abwarten, bis jemand anderes für mich die Entscheidung trifft. Aber auch keine Entscheidung ist eine Entscheidung. Denn ganz egal, was ich tue, wir zahlen immer einen Preis dafür. Egal ob ich Variante A oder B wähle. Etwa bei einer Trennung: Gehen oder bleiben. Egal für was ich mich entscheide, es schmerzt immer. Deshalb ist es wichtig, uns das bewusst zu machen. 

Wir zahlen immer einen Preis

Wenn wir nun keine Entscheidung treffen können oder wollen, liegt es oft daran, dass wir entweder nicht bereit sind, den Preis zu zahlen. Oder uns fehlt ein entscheidendes Puzzlestück. 

Kommen Menschen in solchen Momenten zu mir ins Coaching, erzähle ich ihnen gerne die Geschichte von den zwei Bettlern: Der eine ist blind, der andere ist querschnittsgelähmt. In der Unterführung, wo beide betteln, bricht Feuer aus. Um sich zu retten, brauchen sie einander. Der Blinde nimmt den Gelähmten auf die Schultern, und dieser sagt ihm, wo es langgeht. 

So ähnlich verhält es sich mit unserem Verstand und unseren Gefühlen…wir brauchen beide, um uns aus schwierigen Situationen zu retten, um eine Entscheidung treffen zu können. Der eine ist nichts ohne den anderen. 

In Krisen übernimmt oft der Verstand das Kommando. Wir denken und grübeln und kommen nicht vorwärts. Unsere Gefühle ignorieren wir oder drücken sie weg. Weil sie uns oftmals unangenehm sind, sie uns schwach erscheinen lassen. Das funktioniert aber nur bedingt und eine gewisse Zeit. Wie bei Wasserbällen, die wir versuchen, unter Wasser zu drücken. Sie kommen immer wieder nach oben.

Gefühle zu ignorieren, bringt nichts

Wir müssen also lernen, uns und unsere Gefühle, vor allem auch die negativen, wahrzunehmen, sie zu benennen und zu akzeptieren. Denn es ist ja nicht so, dass die Gefühle nicht da sind, wenn wir sie ignorieren. 

Wenn es Dir also mal wieder nicht gelingt, eine Entscheidung zu treffen, mach eine Pause, suche bewusst nach dem zweiten Bettler in dir und höre ihm zu. Wahrscheinlich ist seine Antwort das Puzzlestück, das bisher gefehlt hat. 

Vielen meiner Klienten geht es so, dass sie zwar die Stimme des zweiten Bettlers hören, ihn aber nicht verstehen – so als würde er in einer fremden Stimme zu ihnen sprechen. Das kommt daher, weil wir sind, wie wir sind bzw. wie wir durch die Erziehung unserer Eltern und die Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben, geworden sind. 

Auf den Wellen reiten

Wir müssen erst wieder lernen, eine Verbindung mit unserer Gefühlswelt einzugehen und sie wahrzunehmen: Welche Gefühle habe ich gerade? Warum habe ich sie? Was steckt sonst noch dahinter? Wir müssen also erst näher an sie heranrücken, um in einem zweiten Schritt dann wieder auf Abstand zu gehen, sie zu identifizieren und sie zu verstehen. 

Denn unsere Gefühle sind ein Teil von uns, wir sind aber nicht die Gefühle. Sie sind wie die Wellen des Ozeans, die kommen und gehen. Sie haben die Kraft, über uns zusammenzuschlagen und uns nach unten zu ziehen. Wenn wir es aber richtig anstellen, können wir auch auf den Wellen reiten und den Moment genießen.

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Dabei ist es egal, ob sie 3 oder 30 Jahre alt sind, auch wenn die Trennung je nach Lebensalter natürlich eine andere Bedeutung für die Kinder hat. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient Wenn ihr euch als Paar trennt, aber als Eltern gemeinsam weiter agiert, ist das auch im Sinne der Kinder. Oftmals werden die Kinder aber zum Trostpflaster, Faustpfand und Spielball in der Auseinandersetzung der Eltern. Versucht das zu vermeiden, auch wenn klar ist, dafür reicht ein Elternteil aus, der sich nicht daranhält. Geht stattdessen ehrlich mit der Trennung (und einer Scheidung) um. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient. Ein offenes Ohr und emotionale Unterstützung sind wichtig, damit die Kinder ihre Gefühle und Ängste verarbeiten können. Dazu gehört auch, mit ihnen altersgemäß zu reden. Was und wie viel man erzählt, stimmen die Eltern am besten untereinander ab. Aber eines sollte klar sein: Auf der Beziehungsebene des Paares haben die Kinder nichts verloren. Die Kinder sollten also nicht mit den Verletzungen, den Schuldgefühlen und der Enttäuschung unter den Eltern konfrontiert und belastet werden. Stattdessen sollte man sich gemeinsam Zeit für ihre Sorgen und Nöte nehmen, so schwer das gemeinsam auch fallen mag. Aber Schmerz gibt es auch bei den Kindern und Jugendlichen jede Menge. Von Wutausbrüchen bis zu Erbrechen, Übelkeit und Kopfschmerzen Jedes Kind zeigt dabei andere Reaktionen. Die Skala reicht von Wutausbrüchen und Weglaufen, über Trauer und Depression bis hin zu psychosomatischen Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder auch Einnässen. Mögliche Fragen und Sätze, die die Kinder und Jugendliche quälen können: • Welche Schuld habe ich an der Trennung? Hat es vielleicht an mir und meinem Verhalten gelegen? Hätte ich die Trennung verhindern können? • Wenn Papa oder Mama auszieht, werde ich ihn oder sie dann noch regelmäßig sehen? • Mein Vater verlässt meine Mutter (oder umgekehrt). Wird er das auch mit mir machen? • Meine Eltern wissen, dass meine Welt zusammenbricht. Warum trennen sie sich trotzdem? • Ich liebe Papa und Mama. Muss ich mich jetzt zwischen beiden entscheiden? • Muss das Haus jetzt verkauft werden? Müssen wir umziehen? Verliere ich den Kontakt zu meinen Freunden? Muss Mama/Papa jetzt mehr arbeiten und hat dann weniger Zeit für mich? • Mama und/oder Papa geht es nicht gut. Ich muss nun die Verantwortung für sie/ihn übernehmen. Trotz der eigenen Probleme und eines Gefühlschaos sollten Eltern daher immer im Auge behalten: Was braucht meine Tochter und/oder mein Sohn in diesem Moment? Helfen Sie ihren Kindern dabei, Worte zu finden für das, was sie gerade umtreibt. Fragen Sie sie: Wie geht es dir? Was kann ich für dich tun? Wie fühlst du dich? Ohne mit ihren Antworten den Kindern Hoffnung zu machen, dass die Trennung nur vorrübergehend ist. Auch Kinder können nach einem Schuldigen suchen Gerade Jugendliche sollten in Fragen einbezogen werden, die sie betreffen. Die Eltern sollten sich mit ihren Wünschen auseinandersetzen und über Veränderungen und Regeln sprechen, die durch die Trennung entstehen. Sei trotz der Trennung als Papa und Mama da und biete dich immer wieder an – auch wenn das sehr frustrierend sein kann. Weil Kinder Kinder sind, suchen sie sich vielleicht einen Schuldigen. Auch sie brauchen eine Erklärung, ein Narrativ, warum es so gekommen ist. Und das fällt auch in ihrer Welt leichter, wenn sie jemand die Schuld geben können. Sie verbünden sich mit dem vermeintlich schwächeren Elternteil, oft ist das der Verlassene. Deshalb sollten sich Aufbrechende darauf einstellen, dass die Beziehung zu den Kindern (vorerst) schwierig und von Ablehnung und Feindseligkeit geprägt sein kann, vor allem wenn der Ex-Partner dies nutzt, um sich zu rächen. Da hilft es nur, langfristig zu denken, Verständnis für das Leid mitzubringen und jede Menge Geduld. Eine andere Chance hast du nicht. Sollte der Kontakt abgelehnt werden oder nicht zustande kommen, ist es auch eine gute Möglichkeit, Tagebuch darüber zu führen, was du versucht und angeboten hast, um es bei Bedarf den Kindern später einmal zeigen zu können. Es ist schwer auszuhalten, wenn der andere einen Wettkampf um die Liebe des Kindes beginnt oder seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Spiel trotzdem nicht mit und suche Hilfe bei einer Beratungsstelle oder dem Jugendamt, wenn du das Wohl des Kindes gefährdet siehst oder du dir Sorgen machst, weil dein Kind Auffälligkeiten im Verhalten oder emotionale Probleme zeigt. Trennungskinder sind nicht automatisch fürs Leben gezeichnet Nicht immer ist sofort psychotherapeutische Hilfe nötig. Wie die meisten Erwachsenen gewöhnen sich auch Kinder und Jugendliche mit der Zeit an die neue Familiensituation. Einfacher wird das, wenn die Kinder beide Elternteile weiterhin als verlässliche Ansprechpartner erleben, die auf ihre Bedürfnisse, Sorgen und Nöte eingehen. Negative Gefühle und Verlustängste nehmen ab und die Kinder können sich wieder mich sich selbst und ihrer Entwicklung beschäftigen. Trennungskinder sind auch nicht automatisch durch das Ereignis traumatisiert oder fürs Leben gezeichnet. Eine Familie aus Papa, Mama und Kindern kann ein Hort für Liebe und Vertrauen sein. Manchmal ist es aber auch ein Schlachtfeld und jede andere Form der Familienzusammensetzung ist um ein Vielfaches besser. Zumal Studien zur Trennung mit Kindern inzwischen zeigen, dass Kinder und Jugendliche eine Trennung gut verarbeiten können und keine Auffälligkeiten gegenüber Kindern aus intakten Familien zeigen müssen. Dass dem so kommt, daran haben die Erwachsenen einen entscheidenden Anteil. Je mehr miteinander sie als Eltern pflegen und je weniger Drama sie veranstalten, desto weniger dramatisch empfinden die Kinder die Trennung. Das gilt übrigens auch in abgestufter Form für alle anderen Erwachsenen im Familien- und Freundeskreis, Großeltern, Onkel und Tanten, Freunde und Freundinnen der Eltern. Weitere Informationen findest du im Blogbeitrag "Wir Kinder eine Trennung am besten verkraften" und im Trennungsratgeber "Ich will mich trennen" .
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