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Lass los!

Torsten Geiling • 24. Mai 2021

Ein Weg durch unbekanntes Gelände

Das Leben führt dich immer wieder auf Berggipfel.
Soll ich oder soll ich nicht? Es gibt Dutzende Gebrauchsanweisungen im Internet, wann der richtige Zeitpunkt für eine Trennung gekommen ist. Bevor wir das entscheiden können, müssen wir aber erst einmal loslassen. 

Was macht eigentlich ein Coach? Wenn mich Menschen dies fragen, vergleiche ich meine Arbeit gerne mit der eines Bergführers, der seine Seilschaft über Grenzen oder zu neuen Gipfeln bringt. Die Entscheidung über Richtung und Ziel treffen die Kunden. Der Bergführer begleitet sie auf diesem Weg. Er sichert sie in unbekanntem Gelände, kennt Abkürzungen und kleine Pfade, hilft ihnen über Gletscherspalten und zeigt ihnen, wo die Steigeisen anzulegen sind, oder was zu tun ist, wenn das Wetter umschlägt. 

So können die Coachees neues Gelände erschließen, Veränderungen bewusst erfahren und daraus Entscheidungen ableiten. Allerdings muss klar sein: Der Bergführer ist kein Sherpa. Er trägt weder das Gepäck seiner Kunden noch nimmt er sie Huckepack. Gehen muss jeder selbst.

Und zu gehen, fällt gerade in Krisen wie vor, während oder nach einer Trennung nicht leicht. Denn wer sich vor dem fürchtet, was kommt, klammert sich an das, was er hat. An Erlebnisse, an andere Menschen oder auch an Beziehungen. Wir klammern uns an das bekannte Übel, von dem wir wissen, dass es keine Zukunft hat, anstatt loszulassen und nach neuen Möglichkeiten und Chancen zu suchen.

Die Allegorie vom Bergsteiger

Wie der Bergsteiger, von dem der Psychologe Jorge Bucay erzählt, der sich trotz Schneesturm an eine Gipfelbesteigung macht. Der Berg war schneebedeckt und das Gelände schwierig. Es stürmte und eigentlich hätte er umkehren sollen. Aber sein Ehrgeiz ließ das nicht zu. Schritt für Schritt kämpfte er sich nach oben. Und als er gerade an einer besonders schwierigen Stelle ein Sicherungsseil fixieren wollte, verlor er den Halt und stürzte ab. Meter um Meter fiel er und schlug immer wieder gegen den steinigen Fels. Sein ganzes Leben zog an ihm vorüber als er plötzlich mit seinen Händen das Sicherungsseil streifte. Instinktiv packte er zu und sein Fall kam wenige Augenblicke später mit einem Ruck zu Ende. 

Der Bergsteiger hing am Seil in der Felswand. Noch immer stürmte es und das Schneegestöber machte eine Orientierung unmöglich. Was sollte er tun? Er rief um Hilfe, doch bei dem Sturm war eine Rettung aussichtslos. Sollte er sich am Seil hochziehen und sich damit selbst retten? Seine schmerzenden Arme machten ihm schnell klar, wie unmöglich das war. 

Oder sollte er loslassen und seinem Leben damit wahrscheinlich ein Ende bereiten. Dieser Gedanke ließ Panik in ihm aufsteigen und er klammerte sich nur noch fester ans Seil. Minuten und Stunden vergingen und die Anstrengung wurde immer größer. „Lass los“, dachte er sich immer wieder, „diese Schmerzen sind doch sinnlos. Lass los.“ Und wieder packte er nur noch fester zu. Nichts und niemand auf der Welt würde ihn dazu bringen, freiwillig das loszulassen, was ihm offenbar das Leben gerettet hatte. Den Kampf führte er über Stunden fort, die Händen verkrampft um das Seil, das er für seine einzige Chance hielt. 

Als der Sturm am frühen Morgen nachließ, fanden die Rettungskräfte den total erschöpften und halberfrorenen Bergsteiger, der sich mit seinem Leben noch immer an das Seil klammerte. Nicht mehr lange und er wäre wohl dort den Erfrierungstod gestorben. Als der Bergsteiger die Augen öffnete, sah er jetzt, wo das Seil endete: nur einen Meter über dem rettenden Erdboden. 

Wir müssen uns von dem trennen, was uns gerettet hat

Manchmal bedeutet nicht loszulassen überspitzt gesagt den Tod. Wir müssen uns von dem trennen, was uns einmal gerettet, vor dem Absturz bewahrt hat. Aber wir tun es nicht. Wir leiden und halten an dem fest, was uns Schmerzen bereitet, uns unglücklich macht oder schon längst nicht mehr da ist. 

So erging es auch Andrea, die eigentlich anders heißt. Über lange Jahre war ihr Partner ein fester Halt in ihrem Leben. Gemeinsam haben sie viel erlebt und so manche Herausforderung überstanden, ein Kind großgezogen und ein altes Bauernhaus gekauft und renoviert. Sie ist mit ihrem Partner nicht nur physisch zusammengezogen. Er ist auch psychisch bei ihr eingezogen und ist ein Teil von ihr geworden. Das macht es so schwer loszulassen, zumal der Schmerz in der Beziehung auch selten konstant ist. Sobald er für ein paar Augenblicke aufhört, entsteht wieder Hoffnung, dass alles doch noch gut wird.

Lange Jahre hat Andrea gebangt, gelitten und mit sich und der Trennung gerungen. Immer wieder hat sie sich und ihrem Partner eine letzte Chance gegeben und sich an ihr bekanntes Leben geklammert. Wenn wir aber krampfhaft an etwas festhalten, fühlen wir uns weder frei, die Beziehung zu verändern, noch können wir sie (wieder) genießen. Wir hoffen auf ein Wunder, dass sich die Situation ändert. Gleichzeitig spüren wir, wie uns die Beziehung entgleitet. Wir haben so viel in diese Beziehung investiert, vielleicht gibt es Kinder, ein Haus, einen gemeinsamen Freundeskreis. Und wir packen trotzig noch fester zu. Das Klammern bringt aber unweigerlich den Schmerz zurück. Wut, Angst, Verzweiflung sind die Folge.

Kein Wunder, dass Menschen, die in schlechten Beziehungen leben, viel häufiger unter chronischem Stress, körperlichen Schmerzen oder auch Schlafstörungen leiden als Menschen, die eine gute Beziehung führen. Auch Andrea ging es so. Die satten Farben verschwanden aus ihrem Leben. Wie eine Blume drohte sie zu verwelken, alles wirkte auf sie nur noch schwarz und grau. 

Wichtige Aufgaben einer Partnerschaft sind eine gegenseitige Bestätigung und Anerkennung, Vertrauen, Schutz und eine positive Kritik. Und obwohl das fehlt, hält uns die Angst vor dem Alleinsein lange zurück, diese Leidenszeit zu beenden. Denn wenn es auch ein unangenehmes Gefühl ist, das alles zu ertragen, scheint es häufig viel weniger bedrohlich als die Leere und die Schuldgefühle, die durch eine Trennung entstehen. Wir halten an dem alten Übel fest um kein neues Übel ertragen zu müssen.

Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?

Viele, die dann doch gehen, haben ihre Entscheidung erst nach Monaten und Jahren und einem langen Prozess der Trauer und des Aufgebens getroffen. Irgendwann wurde der Schmerz darüber, zu bleiben, stärker empfunden, als der Schmerz zu gehen. Sie waren nicht mehr ängstlich und wütend, sondern nur noch erschöpft und das Ganze leid. 

Bei Andrea kam der Impuls als ihre Tochter auszog. Da merkte sie, so geht es nicht mehr weiter. Auch wenn ihr die beste Freundin den Rücken stärkte, suchte sie professionelle Unterstützung und startete in einen Coachingprozess: Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?

Andrea stellte sich über die Wochen viele Fragen und stellte sich in Frage. Gestern kam der Anruf: Sie hat mir ihrem Mann das Gespräch gesucht und sich von ihm getrennt. Die ganze Situation sei so traurig gewesen und sie wisse, dass noch ein langer Weg zu gehen sei. Aber dennoch fühle sie sich seit Monaten erstmals wieder erleichtert.
Wann ist also der richtige Moment gekommen, um loszulassen? Und mit Loslassen kann auch ausdrücklich der Gedanke gemeint sein, sich von seinem Partner nicht zu trennen. Denn nicht für jede Klientin und jeden Klienten lautet die Antwort: Ich gehe. Auch diese Erkenntnis, das Loslassen des Trennungsgedankens kann befreiend sein, weil ich vielleicht noch nicht so weit bin oder weil ich das Gemeinsame nicht aufgeben möchte und ich es stattdessen beispielsweise mit einer Paartherapie noch einmal versuchen möchte.

Wann ist also der richtige Moment gekommen, um loszulassen? Für Menschen, die auf einen allgemeingültigen Ratschlag gehofft hatten, kommt jetzt vielleicht der enttäuschendste Satz in diesem Text: Den gibt es nicht. Denn dieser Moment ist etwas ganz Persönliches. Das ist wie mit dem Schmerzempfinden – was dem einen schon weh tut und Tränen in die Augen treibt, lässt die andere gerade einmal zucken.

Richtig oder falsch gibt es nicht. Lass Dich also nicht verleiten, allgemeingültige Ratschläge anzunehmen oder zu denken, wenn es so in diesem Buch steht oder jener Experte es sagt, „muss ich“ oder „darf ich nicht“ so fühlen oder handeln. Es ist Dein Leben, für das Du allein die Verantwortung trägst. Du weißt selbst am besten, wann der Moment gekommen ist, um loszulassen, auch wenn es auf dem Weg guttut, Unterstützung zu erfahren und einen erfahrenen und trittsicheren Bergführer an Deiner Seite zu haben, der die richtigen Fragen stellt.

Doch egal wie viel Mühe es kostet oder wie sehr es zu schmerzen scheint, loszulassen und wieder von neuem den Aufstieg zu beginnen, ist es doch gut zu wissen, dass ein gesunder Erwachsener mit jeder Art von Verlust fertig werden kann. Auch mit diesem.


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Dabei ist es egal, ob sie 3 oder 30 Jahre alt sind, auch wenn die Trennung je nach Lebensalter natürlich eine andere Bedeutung für die Kinder hat. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient Wenn ihr euch als Paar trennt, aber als Eltern gemeinsam weiter agiert, ist das auch im Sinne der Kinder. Oftmals werden die Kinder aber zum Trostpflaster, Faustpfand und Spielball in der Auseinandersetzung der Eltern. Versucht das zu vermeiden, auch wenn klar ist, dafür reicht ein Elternteil aus, der sich nicht daranhält. Geht stattdessen ehrlich mit der Trennung (und einer Scheidung) um. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient. Ein offenes Ohr und emotionale Unterstützung sind wichtig, damit die Kinder ihre Gefühle und Ängste verarbeiten können. Dazu gehört auch, mit ihnen altersgemäß zu reden. Was und wie viel man erzählt, stimmen die Eltern am besten untereinander ab. Aber eines sollte klar sein: Auf der Beziehungsebene des Paares haben die Kinder nichts verloren. Die Kinder sollten also nicht mit den Verletzungen, den Schuldgefühlen und der Enttäuschung unter den Eltern konfrontiert und belastet werden. Stattdessen sollte man sich gemeinsam Zeit für ihre Sorgen und Nöte nehmen, so schwer das gemeinsam auch fallen mag. Aber Schmerz gibt es auch bei den Kindern und Jugendlichen jede Menge. Von Wutausbrüchen bis zu Erbrechen, Übelkeit und Kopfschmerzen Jedes Kind zeigt dabei andere Reaktionen. Die Skala reicht von Wutausbrüchen und Weglaufen, über Trauer und Depression bis hin zu psychosomatischen Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder auch Einnässen. Mögliche Fragen und Sätze, die die Kinder und Jugendliche quälen können: • Welche Schuld habe ich an der Trennung? Hat es vielleicht an mir und meinem Verhalten gelegen? Hätte ich die Trennung verhindern können? • Wenn Papa oder Mama auszieht, werde ich ihn oder sie dann noch regelmäßig sehen? • Mein Vater verlässt meine Mutter (oder umgekehrt). Wird er das auch mit mir machen? • Meine Eltern wissen, dass meine Welt zusammenbricht. Warum trennen sie sich trotzdem? • Ich liebe Papa und Mama. Muss ich mich jetzt zwischen beiden entscheiden? • Muss das Haus jetzt verkauft werden? Müssen wir umziehen? Verliere ich den Kontakt zu meinen Freunden? Muss Mama/Papa jetzt mehr arbeiten und hat dann weniger Zeit für mich? • Mama und/oder Papa geht es nicht gut. Ich muss nun die Verantwortung für sie/ihn übernehmen. Trotz der eigenen Probleme und eines Gefühlschaos sollten Eltern daher immer im Auge behalten: Was braucht meine Tochter und/oder mein Sohn in diesem Moment? Helfen Sie ihren Kindern dabei, Worte zu finden für das, was sie gerade umtreibt. Fragen Sie sie: Wie geht es dir? Was kann ich für dich tun? Wie fühlst du dich? Ohne mit ihren Antworten den Kindern Hoffnung zu machen, dass die Trennung nur vorrübergehend ist. Auch Kinder können nach einem Schuldigen suchen Gerade Jugendliche sollten in Fragen einbezogen werden, die sie betreffen. Die Eltern sollten sich mit ihren Wünschen auseinandersetzen und über Veränderungen und Regeln sprechen, die durch die Trennung entstehen. Sei trotz der Trennung als Papa und Mama da und biete dich immer wieder an – auch wenn das sehr frustrierend sein kann. Weil Kinder Kinder sind, suchen sie sich vielleicht einen Schuldigen. Auch sie brauchen eine Erklärung, ein Narrativ, warum es so gekommen ist. Und das fällt auch in ihrer Welt leichter, wenn sie jemand die Schuld geben können. Sie verbünden sich mit dem vermeintlich schwächeren Elternteil, oft ist das der Verlassene. Deshalb sollten sich Aufbrechende darauf einstellen, dass die Beziehung zu den Kindern (vorerst) schwierig und von Ablehnung und Feindseligkeit geprägt sein kann, vor allem wenn der Ex-Partner dies nutzt, um sich zu rächen. Da hilft es nur, langfristig zu denken, Verständnis für das Leid mitzubringen und jede Menge Geduld. Eine andere Chance hast du nicht. Sollte der Kontakt abgelehnt werden oder nicht zustande kommen, ist es auch eine gute Möglichkeit, Tagebuch darüber zu führen, was du versucht und angeboten hast, um es bei Bedarf den Kindern später einmal zeigen zu können. Es ist schwer auszuhalten, wenn der andere einen Wettkampf um die Liebe des Kindes beginnt oder seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Spiel trotzdem nicht mit und suche Hilfe bei einer Beratungsstelle oder dem Jugendamt, wenn du das Wohl des Kindes gefährdet siehst oder du dir Sorgen machst, weil dein Kind Auffälligkeiten im Verhalten oder emotionale Probleme zeigt. Trennungskinder sind nicht automatisch fürs Leben gezeichnet Nicht immer ist sofort psychotherapeutische Hilfe nötig. Wie die meisten Erwachsenen gewöhnen sich auch Kinder und Jugendliche mit der Zeit an die neue Familiensituation. Einfacher wird das, wenn die Kinder beide Elternteile weiterhin als verlässliche Ansprechpartner erleben, die auf ihre Bedürfnisse, Sorgen und Nöte eingehen. Negative Gefühle und Verlustängste nehmen ab und die Kinder können sich wieder mich sich selbst und ihrer Entwicklung beschäftigen. Trennungskinder sind auch nicht automatisch durch das Ereignis traumatisiert oder fürs Leben gezeichnet. Eine Familie aus Papa, Mama und Kindern kann ein Hort für Liebe und Vertrauen sein. Manchmal ist es aber auch ein Schlachtfeld und jede andere Form der Familienzusammensetzung ist um ein Vielfaches besser. Zumal Studien zur Trennung mit Kindern inzwischen zeigen, dass Kinder und Jugendliche eine Trennung gut verarbeiten können und keine Auffälligkeiten gegenüber Kindern aus intakten Familien zeigen müssen. Dass dem so kommt, daran haben die Erwachsenen einen entscheidenden Anteil. Je mehr miteinander sie als Eltern pflegen und je weniger Drama sie veranstalten, desto weniger dramatisch empfinden die Kinder die Trennung. Das gilt übrigens auch in abgestufter Form für alle anderen Erwachsenen im Familien- und Freundeskreis, Großeltern, Onkel und Tanten, Freunde und Freundinnen der Eltern. Weitere Informationen findest du im Blogbeitrag "Wir Kinder eine Trennung am besten verkraften" und im Trennungsratgeber "Ich will mich trennen" .
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