Der (Ex-)Partner ist verantwortlich für das Scheitern der Beziehung. Das sagen zwei Drittel der Frauen und Männer in einer repräsentativen Umfrage. Aber macht man es sich damit nicht zu einfach. TrennDICH-Coach Torsten Geiling rät zur Selbstkritik.
Am Telefon hatte mir der Mann gesagt, er wolle sich von seiner Partnerin trennen. Das war nicht weiter ungewöhnlich, schließlich richtet sich TrennDICH an Menschen, die vor einer Trennung stehen, mittendrin stecken oder diese gerade verarbeiten. Während der ersten Sitzung lernte ich dann aber nur seine Frau kennen – und zwar von ihren schlechtesten Seiten. Wenn ich die 60 Minuten zusammenfasse, lebte er seit Jahren mit einem herrischen, eifersüchtigen, launischen, nachtragenden, jähzornigen, egomanischen Drachen zusammen.
Ich fragte ihn zum Schluss, ob er denn nach seiner Meinung auch Schuld am Scheitern seiner Ehe habe. Das machte ihn kurz sprachlos und er fragte sich wohl, ob er sich den richtigen Gesprächspartner ausgesucht hatte. „Sie haben doch gehört, wie sie sich verhält.“
Ich nickte: „Das habe ich. Meine Frage war aber, ob Sie ihrer Meinung nach auch Schuld am Scheitern ihrer Ehe haben?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Dann möchte ich sie etwas anderes fragen: Sie leben mit ihrer Frau seit 24 Jahren zusammen, haben ein Kind und ein Haus. Sie haben mir von einigen guten Momenten, sonst aber vor allem von einer schrecklichen Zeit erzählt. Warum haben Sie sich das so lange angetan? Warum haben Sie sie denn nicht früher verlassen?“
Der Mann stutzte, sagte aber nichts.
Ich fragte ihn, ob ich ihm etwas erzählen dürfe. Vor einigen Wochen hatte ich ein paar Tage am Katschberg in Kärnten verbracht. Eine gemütliche Wanderung führt dort hoch zur Gamskogelhütte. Der Weg ist gesäumt von roten Herzerln und weisen Sprüchen. Über einem Herz steht: „Hier siehst du den Menschen, der für dein Leben verantwortlich ist!“ Und auf dem Herz klebt - ein Spiegel.
Der Mann schien kurz zu überlegen und dann nickte er. „Ja, Sie haben Recht. Wahrscheinlich habe auch ich meinen Teil dazu beigetragen, dass das alles so schiefgelaufen ist.“
Jetzt konnten wir mit der Arbeit beginnen. Erst wenn ein Klient oder die Klientin zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst bereit ist und aus der Opferrolle aussteigt, kann ich sie als Coach unterstützen und begleiten.
„Die einzige Person, der nicht geholfen werden kann, ist diejenige, die anderen die Schuld gibt“, brachte es der US-amerikanische Psychotherapeut Carl. R. Rogers einmal auf den Punkt. Suchst Du die Schuld nämlich immer bei anderen, übergibst du ihnen die Verantwortung für Dein Leben. Du machst dich abhängig, weil dir damit die Macht fehlt, Fehler selbst zu korrigieren. Erwachsensein heißt aber, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, die möglichen Optionen abzuwägen, eine Entscheidung zu treffen und zu dieser zu stehen – um sich vielleicht später einzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben.
Der Partner ist nicht dafür da, unsere Erwartungen zu erfüllen
Viele unserer Klienten tragen sich mit dem Gedanken der Trennung oft schon seit Monaten oder sogar Jahren. Niemand nimmt diese Entscheidung auf die leichte Schulter. Der eine oder die andere hat auch schon eine Paartherapie hinter sich, wenn sie sich bei TrennDICH melden, meist ohne nachhaltigen Erfolg. Ich finde einen solchen Rettungsversuch trotzdem gut, wenn eine ernsthafte Absicht dahintersteckt. Man vergibt sich nichts – im Gegenteil. Wenn die Schuldgefühle vor, während oder nach der Trennung sich melden, kann ich mir sagen: „Ich habe wirklich alles versucht.“
Nach einigen Wochen frage ich meine Klienten meist, was ihnen unsere Zusammenarbeit gebracht hat. Dann sagen viele, Klarheit und die ernüchternde Erkenntnis, dass man den Partner oder sich gegenseitig nicht ändern kann. Man muss den Partner in allen seinen Facetten akzeptieren– oder eben nicht.
Es ist keinesfalls leicht, den anderen Menschen in seinen Gefühlen und im Handeln so zu akzeptieren, wie er oder sie ist. Und den meisten wird spätestens dann klar, es gibt eigentlich nur einen Weg, etwas zu bewegen: Ich muss an meiner eigenen Lebenseinstellung arbeiten. Unser Gegenüber werden wir nicht ändern. Da hilft es auch nicht, Druck auszuüben oder Angst zu verbreiten. Denn niemand kann jemand anderen (langfristig) seinen Willen aufzwingen.
Häufig ist es doch aber so, dass wir uns fragen: „Warum denkt, glaubt und fühlt unser Partner oder unsere Partnerin nicht wie ich. Warum sieht er oder sie das nicht. Das ist doch die einzig richtige Ansicht, der einzig richtige Weg.“ Unser Partner oder unsere Partnerin ist aber nicht auf der Welt, um unsere Gefühle zu befriedigen oder unsere Erwartungen zu erfüllen.
Die ewige Liebe gibt es nicht
Umgekehrt brauchen wir auch nicht seine/ihre Erlaubnis, um zu sein, wer wir sind. Ich bin ich, und du bist du. Es mag Zeiten gegeben haben, in denen das Ich mit dem Du weitgehend übereinanderlag und ein Wir entstanden ist. Eine Beziehung ist jedoch nicht statisch. Dort wo etwas zusammengewachsen ist, kann es sich auch wieder trennen. Zumal wir über die Jahre vielleicht zu jemand wurden, der oder die wir nicht sind, der oder die vielleicht an einem Ort wohnt, an dem wir nicht sein wollen oder etwas tun, was uns keinen Spaß macht.
Deshalb gibt es für mich auch nicht die ewige Liebe, in der man sich ein für alle Mal in guten wie in schlechten Tagen füreinander entschieden hat. Sondern man muss sich jeden Tag wieder neu füreinander entscheiden. Das birgt ein gewisses Risiko, ist aber der ehrlichere Weg.
Um zu wissen, wohin ich gehen möchte und mit wem, muss ich aber erst einmal erkennen, wer ich bin. „Ich kenne keinen größeren Mut, als jenen, in sich selbst zu schauen“, sagt der indische Philosoph Osho. „Du fühlst dich gut, du fühlst dich schlecht – diese Gefühle steigen aus deinem Unterbewusstsein, deiner Vergangenheit empor. Niemand außer dir selbst ist dafür verantwortlich. Niemand kann dich wütend machen und niemand kann dich glücklich machen.“
Wahrscheinlich wäre es anders gekommen, leichter gewesen, wenn man die Entscheidung zur Trennung schon vor Jahren getroffen oder versucht hätte, die Beziehung in eine andere Richtung zu lenken. Ja, vielleicht wäre das so gewesen. Aber damals waren wir noch nicht die Menschen, die wir heute sind. Wahrscheinlich war der Leidensdruck damals noch nicht groß genug, die Probleme waren nicht so deutlich zu erkennen und wir waren noch nicht so weit, unsere eigenen Interessen wahrzunehmen.
Was möchten wir also wirklich? Wo ist der Weg, den wir gehen wollen? Der uns zufrieden macht und der am meisten mit uns selbst übereinstimmt? Oder versuchen wir nur, jemanden zu gefallen oder Konflikten aus dem Weg zu gehen? Haben wir Angst vor dem Unbekannten und halten deshalb am Bekannten fest, auch wenn es uns unglücklich macht?
Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe
Gehen oder bleiben? Egal für was wir uns entscheiden, es wird immer Schmerzen verursachen. Die Frage ist daher, auf welchem Weg können wir sie leichter ertragen und sie verarbeiten. Um eine solche Standortbestimmung kann es im Coaching gehen und auch um ein Verstehen, warum wir sind wie wir sind. Gründe dafür können in der Vergangenheit liegen, in der Familie oder in gemachten Erfahrungen.
Für den Klienten aus der Einleitung, der seine Frau für das Scheitern der Beziehung verantwortlich gemacht hatte, war die Schuldfrage bald nicht mehr wichtig. Wir beschäftigten uns mit seiner Person, mit seinen Wünschen und Zielen. Mit der Trennungsangst und seinen Schuldgefühlen. Und er verstand bald: Der Prozess man selbst zu werden, hört niemals auf. Es gibt nur einen Menschen, der weiß, ob das, was wir sagen und tun, ehrlich, offen und authentisch ist. Und dieser Mensch sind wir selbst. Deshalb kann ein Coaching oder eine Therapie auch immer nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Das bedeutet aber auch: Wer gehen will und nicht geht, bleibt, weil er oder sie nicht bereit ist, den Preis für diese Entscheidung zu zahlen. Schuld ist also nicht unser Partner oder unsere Partnerin. Wir allein tragen dafür die Verantwortung.