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Was kommt nach der Trennung?

Torsten Geiling • 12. August 2022

Wer bin ich, wohin will ich und mit wem?

Torsten Geiling begleitet seine Klienten auch nach der Trennung
Von Torsten Geiling

Vor ein paar Tagen zog ich eine Mail aus meinem Postfach. Petra hatte mir geschrieben. Ich war auf dem Weg aus ihrer langjährigen Beziehung ein paar Wochen an ihrer Seite. 

"Deine Begleitung hat mir sehr geholfen", schrieb sie, "das waren sicher manchmal die entscheidenden Stellschrauben… - Danke dafür!!" Am meisten hätten ihr die Tipps für die Trennungespräche selbst geholfen: Keine Rechtfertigung, keine Vorwürfe, Einräumen (auch) eigener Fehler und die Formulierung einer klaren Entscheidung, die keinen Raum oder eine Hoffnung beim anderen für ein „wir können es nochmals versuchen“ lässt. 

"Wer weiß, was da noch kommt?!"

"Sicher meldet sich ab und zu ein schlechtes Gewissen und manchmal fragt man sich, ob man leichtfertig seine Ehe hinschmeisst, aber im Grundsatz fühle ich mich mit mir und der Entscheidung im Reinen und ich könnte es mir gerade auch gar nicht mehr anders vorstellen. Auch wenn ich immer wieder denke: wer weiß, was da noch kommt?!"

Und dann schrieb sie noch: "Irgendwann muss ich mich konkret mit der Scheidung auseinandersetzen, dann melde ich mich sicher noch einmal bei dir. Jetzt brauche ich aber erst einmal eine Pause und werde nichts tun. Und dann in ein paar Wochen möchte ich das Haus umräumen und auch sonst einige Dinge verändern."

Ich habe mich über diese Mail sehr gefreut, vor allem auch über die letzten Zeilen.  Ich finde es gut, wenn Klientinnen und Klienten auf ihrem Weg in ein neues Leben auch Pausen einlegen und das anerkennen und genießen können, was sie bisher erreicht haben. Viele können das nämlich nicht oder anders formuliert, erlauben es sich nicht. Dabei ist das ein wichtiger Punkt, um Kraft zu sammeln, für die Anstiege und Täler, die noch kommen werden. Daraus entsteht Resilienz.

Du darfst stehenbleiben und deine Leistung anerkennen

Der Blick in den Rückspiegel kommt automatisch. Und dieser ist auch wichtig. Warum alles so gekommen ist, das hat ja seine Gründe. Wie wir Beziehungen führen oder nicht führen, wie wir streiten, lieben und was für Ängste uns plagen – vieles davon lässt sich auf Erfahrungen zurückführen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben. Leider lernen wir es schlechtweg nicht, uns selbst zu verstehen, was dazu führt, dass wir ausgesprochen schlecht darauf vorbereitet sind, mit den Belastungen unseres Lebens umzugehen und uns mit unserem emotionalen Ich zu arrangieren. 

Ich antwortete Petra in einer Mail: "Du hast bzw. ihr habt noch einen langen Weg vor euch, bevor ihr eure Verbindung gelöst habt. Du hast aber bereits sehr wichtige Schritte hinter dich gebracht. Da darfst du stehenbleiben, zurückblicken und dir Anerkennung zollen, was du geleistet hast. Ich weiß nicht, ob du das so annehmen kannst. Lass dir aber von mir sagen, der ich ja nun einige Erfahrung mit der eigenen Trennung und mit der von anderen Menschen gesammelt habe, es war schon jetzt eine besondere Leistung, die nicht jeder und jede so hinbekommt. Sicherlich sind die Lebenswege und Partner immer unterschiedlich, trotzdem darfst du das anerkennen." 

Und ja, bei Petra und auch bei vielen andere wird noch der eine oder andere Zweifel kommen und sich wahrscheinlich auch immer wieder das Gewissen mit Schuldgefühlen melden. Das ist nach der langen Zeit in den Beziehungen und vor allem bei bestimmten Beziehungsmustern normal. Denn selbst wenn wir uns sagen können, wir lieben den Partner nicht mehr, haben wir doch immer noch fürsorgliche Gefühle für ihn oder fühlen uns sogar noch verantwortlich. 

Wo sein Bild hing, ist nun Leere

Die Verbundenheit fühlt sich so an, weil der Partner vor Jahren nicht nicht nur physisch sondern auch psychisch bei uns eingezogen ist. Er ist ein Teil von uns geworden, ein Teil unseres Selbst. Deshalb tut dieser Auszug dann auch weh. Dort wo in uns sein Bild hing, seine Kommode stand, ist nun Leere und vielleicht nur noch ein vergilbter Fleck. 

Nach der Trennung trauern wir, weil wir einen wichtigen Teil von unserem Ich verloren haben. Wir haben diesen Schritt getan, bewusst getan, um unser Selbst zu retten. Und dieses Selbst müssen wir wiederentdecken. Wir müssen uns als Individuum wieder finden. Es wird Zeit brauchen, sich neu einzurichten. Diese Zeit sollten wir uns geben. 

Wir haben die Macht, unser Leben selbst zu gestalten

Dafür braucht es den Blick in den Rückspiegel, aber auch nach vorne. Ich empfehle meinen Klientinnen und Klienten sich aktiv damit auseinanderzusetzen, etwa indem man sich folgende Fragen stellt: 
  •     Wie konnte es soweit kommen?
  •     Was hält bzw. hielt mich gefangen?
  •     Wie kann es weitergehen?

Oder anders:
  •     Wer bin ich?
  •     Wohin will ich?
  •     Und mit wem?

Ich beendete meine Mail an Petra: "Im Grunde ist uns allen oftmals nicht ganz klar, was wir wollen bzw. was der richtige Weg sein könnte. Dann gilt es die Ängste anzunehmen, Mut zu fassen und den Sprung zu wagen. Und natürlich kann der Aufprall auch ( erst einmal) weh tun. Wenn ich aber überzeugt davon bin, das richtige zu tun, dann gibt es keine Alternative dazu - und auch keinen Grund, sich selbst zu verleugnen, um jemand anderes zu sein. Zumal wir in großen Teilen die Macht haben, unser Leben selbst zu gestalten. Das tust du gerade. Ganz aktiv. Das finde ich toll."

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Dabei ist es egal, ob sie 3 oder 30 Jahre alt sind, auch wenn die Trennung je nach Lebensalter natürlich eine andere Bedeutung für die Kinder hat. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient Wenn ihr euch als Paar trennt, aber als Eltern gemeinsam weiter agiert, ist das auch im Sinne der Kinder. Oftmals werden die Kinder aber zum Trostpflaster, Faustpfand und Spielball in der Auseinandersetzung der Eltern. Versucht das zu vermeiden, auch wenn klar ist, dafür reicht ein Elternteil aus, der sich nicht daranhält. Geht stattdessen ehrlich mit der Trennung (und einer Scheidung) um. Jedes Kind hat eine Erklärung verdient. Ein offenes Ohr und emotionale Unterstützung sind wichtig, damit die Kinder ihre Gefühle und Ängste verarbeiten können. Dazu gehört auch, mit ihnen altersgemäß zu reden. Was und wie viel man erzählt, stimmen die Eltern am besten untereinander ab. Aber eines sollte klar sein: Auf der Beziehungsebene des Paares haben die Kinder nichts verloren. Die Kinder sollten also nicht mit den Verletzungen, den Schuldgefühlen und der Enttäuschung unter den Eltern konfrontiert und belastet werden. Stattdessen sollte man sich gemeinsam Zeit für ihre Sorgen und Nöte nehmen, so schwer das gemeinsam auch fallen mag. Aber Schmerz gibt es auch bei den Kindern und Jugendlichen jede Menge. Von Wutausbrüchen bis zu Erbrechen, Übelkeit und Kopfschmerzen Jedes Kind zeigt dabei andere Reaktionen. Die Skala reicht von Wutausbrüchen und Weglaufen, über Trauer und Depression bis hin zu psychosomatischen Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder auch Einnässen. Mögliche Fragen und Sätze, die die Kinder und Jugendliche quälen können: • Welche Schuld habe ich an der Trennung? Hat es vielleicht an mir und meinem Verhalten gelegen? Hätte ich die Trennung verhindern können? • Wenn Papa oder Mama auszieht, werde ich ihn oder sie dann noch regelmäßig sehen? • Mein Vater verlässt meine Mutter (oder umgekehrt). Wird er das auch mit mir machen? • Meine Eltern wissen, dass meine Welt zusammenbricht. Warum trennen sie sich trotzdem? • Ich liebe Papa und Mama. Muss ich mich jetzt zwischen beiden entscheiden? • Muss das Haus jetzt verkauft werden? Müssen wir umziehen? Verliere ich den Kontakt zu meinen Freunden? Muss Mama/Papa jetzt mehr arbeiten und hat dann weniger Zeit für mich? • Mama und/oder Papa geht es nicht gut. Ich muss nun die Verantwortung für sie/ihn übernehmen. Trotz der eigenen Probleme und eines Gefühlschaos sollten Eltern daher immer im Auge behalten: Was braucht meine Tochter und/oder mein Sohn in diesem Moment? Helfen Sie ihren Kindern dabei, Worte zu finden für das, was sie gerade umtreibt. Fragen Sie sie: Wie geht es dir? Was kann ich für dich tun? Wie fühlst du dich? Ohne mit ihren Antworten den Kindern Hoffnung zu machen, dass die Trennung nur vorrübergehend ist. Auch Kinder können nach einem Schuldigen suchen Gerade Jugendliche sollten in Fragen einbezogen werden, die sie betreffen. Die Eltern sollten sich mit ihren Wünschen auseinandersetzen und über Veränderungen und Regeln sprechen, die durch die Trennung entstehen. Sei trotz der Trennung als Papa und Mama da und biete dich immer wieder an – auch wenn das sehr frustrierend sein kann. Weil Kinder Kinder sind, suchen sie sich vielleicht einen Schuldigen. Auch sie brauchen eine Erklärung, ein Narrativ, warum es so gekommen ist. Und das fällt auch in ihrer Welt leichter, wenn sie jemand die Schuld geben können. Sie verbünden sich mit dem vermeintlich schwächeren Elternteil, oft ist das der Verlassene. Deshalb sollten sich Aufbrechende darauf einstellen, dass die Beziehung zu den Kindern (vorerst) schwierig und von Ablehnung und Feindseligkeit geprägt sein kann, vor allem wenn der Ex-Partner dies nutzt, um sich zu rächen. Da hilft es nur, langfristig zu denken, Verständnis für das Leid mitzubringen und jede Menge Geduld. Eine andere Chance hast du nicht. Sollte der Kontakt abgelehnt werden oder nicht zustande kommen, ist es auch eine gute Möglichkeit, Tagebuch darüber zu führen, was du versucht und angeboten hast, um es bei Bedarf den Kindern später einmal zeigen zu können. Es ist schwer auszuhalten, wenn der andere einen Wettkampf um die Liebe des Kindes beginnt oder seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Spiel trotzdem nicht mit und suche Hilfe bei einer Beratungsstelle oder dem Jugendamt, wenn du das Wohl des Kindes gefährdet siehst oder du dir Sorgen machst, weil dein Kind Auffälligkeiten im Verhalten oder emotionale Probleme zeigt. Trennungskinder sind nicht automatisch fürs Leben gezeichnet Nicht immer ist sofort psychotherapeutische Hilfe nötig. Wie die meisten Erwachsenen gewöhnen sich auch Kinder und Jugendliche mit der Zeit an die neue Familiensituation. Einfacher wird das, wenn die Kinder beide Elternteile weiterhin als verlässliche Ansprechpartner erleben, die auf ihre Bedürfnisse, Sorgen und Nöte eingehen. Negative Gefühle und Verlustängste nehmen ab und die Kinder können sich wieder mich sich selbst und ihrer Entwicklung beschäftigen. Trennungskinder sind auch nicht automatisch durch das Ereignis traumatisiert oder fürs Leben gezeichnet. Eine Familie aus Papa, Mama und Kindern kann ein Hort für Liebe und Vertrauen sein. Manchmal ist es aber auch ein Schlachtfeld und jede andere Form der Familienzusammensetzung ist um ein Vielfaches besser. Zumal Studien zur Trennung mit Kindern inzwischen zeigen, dass Kinder und Jugendliche eine Trennung gut verarbeiten können und keine Auffälligkeiten gegenüber Kindern aus intakten Familien zeigen müssen. Dass dem so kommt, daran haben die Erwachsenen einen entscheidenden Anteil. Je mehr miteinander sie als Eltern pflegen und je weniger Drama sie veranstalten, desto weniger dramatisch empfinden die Kinder die Trennung. Das gilt übrigens auch in abgestufter Form für alle anderen Erwachsenen im Familien- und Freundeskreis, Großeltern, Onkel und Tanten, Freunde und Freundinnen der Eltern. Weitere Informationen findest du im Blogbeitrag "Wir Kinder eine Trennung am besten verkraften" und im Trennungsratgeber "Ich will mich trennen" .
Vor einem Trennungsgespräch solltest du dich fragen, wie dein Partner oder deine Partnerin reagiert
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Taktik und Strategie sind auch in einem Trennungsgespräch wichtig. Deshalb solltest du dir darüber Gedanken machen, wie deine Partnerin oder dein Partner reagiert.
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